Symposium und Performances

• So 30 09 2018 •
Botanical Garden as a Colonial Site Floraphilia

Mit MARIANNE BECHHAUS-GERST, YOERI GUÉPIN, KATJA KAISER, AMANDA PIÑA, SHELA SHEIKH und MARK VON SCHLEGELL, MARIA THEREZA ALVES

11:00

Ort: Flora Köln, Am Botanischen Garten 1a, 50735 Köln
In englischer und deutscher Sprache
Simultanübersetzung ins Englische und Deutsche wird für alle Symposiumssitzungen angeboten
5€

Dieses Symposium zum Akademieprojekt Floraphilia. Über die Verflechtungen von Pflanzenwelt, Botanik und Kolonialismus findet im Gebäude der Flora statt, einem palastartigen Wintergarten aus Gusseisen und Glas, der aus dem Jahr 1864 stammt. Die Gestaltung des Gebäudes durch die Kölner Architekten Max Nohl und Joseph Felten lehnte sich an den Crystal Palace in London und den Jardin des Plantes in Paris an. In dieser zum Gegenstand der Veranstaltung passenden Umgebung vertiefen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen das Thema der Ausstellung im Academyspace historisch, ästhetisch und philosophisch. Denn Botanische Gärten sammelten nicht nur seltene und schöne Pflanzen für Studium und Anschauung, sondern spezialisierten sich zudem auf die Kultivierung von Nutzpflanzen, die entscheidend für europäische Ansiedlungen in tropischen Klimazonen wurden. Staatliche Subventionen unterstützten die Wissenschaft, und die Botanischen Gärten zahlten die nationalen Investitionen in Form von neuen Plantagen und verbesserten Erträgen in den Kolonien um ein Vielfaches zurück.

Eine besondere Rolle bei dem Symposium spielt die konkrete Bezugnahme auf Köln und seine Umgebung. Die abschließende Performance The Jaguar and the Snake von AMANDA PIÑA imaginiert neue gemeinsame Erlebnisräume von Pflanze, Tier und Mensch.

11:00–11:30 Einführung von Madhusree Dutta und Aneta Rostkowska
11:30–13:00 Keynote von Shela Sheikh
13:00–14:00 Pause
14:00–15:30 Session über Botanik und Botanische Gärten in Köln und Berlin von Marianne Bechhaus-Gerst und Katja Kaiser
15:30–16:00 Künstleringespräch mit Maria Thereza Alves
16:00-16:30 Plantifesto, eine Lesung von Mark von Schlegell
16:30–17:00 Pause
17:00–18:00 Performance White-man’s foot von Yoeri Guépin
18:00-19:30 Pause
19:30–20:30 Performance The Jaguar and the Snake von Amanda Piña

"Der Garten der Lüste": Kolonialismus, Taxonomie und die "Eine Welt"
Ausgehend von den kollaborativen Projekten mit dem Künstler Uriel Orlow und der Akademikerin Ros Gray wird Shela Sheikh in diesem Vortrag mehrere Geschichten über die historischen und zeitgenössischen Beziehungen zwischen Kolonialismus und botanischen Gärten verfolgen, vor allem in zeitgenössischer Kunst und in Anbaupraktiken.

Die Kolonialmetropole Köln und die koloniale Botanik
In Bezug auf Köln wird Marianne Bechhaus-Gerst über die Beziehung zwischen kolonialer Botanik, kolonialer Bildung durch den Bau kolonialer Orte oder Räume, koloniale Wissenschaft, koloniale Propaganda für eine breite Öffentlichkeit und (koloniale) Unterhaltung sprechen.

Wirtschaft, Wissenschaft, Weltgeltung - Kolonialbotanik in Berlin
Der Vortrag von Katja Kaiser skizziert die Arbeitsschwerpunkte der Berliner botanischen Einrichtungen bei der Erforschung der Pflanzenwelt der Kolonien sowie die damit verbundenen politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen. Auf Initiative des Auswärtigen Amtes des Deutschen Kaiserreichs erfolgte die Zentralisierung der botanischen Sammlungen aus den deutschen Kolonien und ihrer Erforschung am Berliner Botanischen Garten und Museum. Zudem übernahm die der Institution angegliederte Botanische Zentralstelle für die deutschen Kolonien den Transfer von tropischen Nutzpflanzen in die Kolonialgebiete, die Beratung von Kolonialverwaltung, Plantagenunternehmen und anderen Interessierten in Fragen der tropischen Landwirtschaft sowie die Popularisierung von botanischem Wissen über die Kolonien.

In einigen von Mark von Schlegell geschriebenen Romanen spielen Pflanzen eine wichtige Rolle. Zum Beispiel in dystopischem Venusia (2005) werden psychoaktive Blumen verwendet, um Menschen in einem Zustand der Vergessenheit zu halten, in dem sie sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern. Andere Protagonisten vom von Schlegells Roman sind fühlende Pflanzen, die Bewusstsein besitzen und in parallelen Universen existieren können. In Plantifesto, eigens für dieses Symposium geschaffen, sammelt der Autor verschiedene Pflanzenepisoden aus seinen Schriften.

White-man's foot (2018) ist ein Performance-Vortrag von Yoeri Guépin. Sie verwandelt die "Landschaft" des botanischen Gartens in eine Geschichte, in der Pflanzen Zeugnis ablegen von der langsamen Gewalt des Kolonialismus und dem Pflanzen und Verpflanzen von Arten. Der Titel, der "Fuß des Weißen Mannes", stammt aus dem Namen der Algonkin-Indianer und bedeutet "Breitwegerich", die erste dokumentierte "invasive" Pflanze, die im 17. Jahrhundert von europäischen Siedlern in Nordamerika eingeführt wurde. Ironischerweise hat die Pflanze eine lange Geschichte in der sächsischen Poesie und ist bekannt als göttliches Heilkraut zur Behandlung von Vergiftungen und Infektionen. Der Breitwegerich wurde in europäischen Klostergärten angebaut und in botanischen Gärten kultiviert. Botaniker spekulieren, dass die Samen, die in den Schlammklumpen reisten, in den Boden der Hufe der britischen und französischen Pferde eindrangen. Die Algonkin-Völker beobachteten, dass, wo auch immer der weiße Mann hinging, diese Pflanze bald aufspringen würde. Daher erhielt der aus Nord-Europa stammende Wegerich den Namen "Fuß des Weißen Mannes".

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes Alt text