Karnevalsprojekt

kaɦ.na.vˈaw Spiritualität, Ökonomie und Politik


Künstlerische Leitung: ADRIANA SCHNEIDER ALCURE und ALEX MELLO

Mit: CORAL VOZES DO BRASIL, CORDÃO DO BOITATÁ, IJULA – ROOTS & ROUTES COLOGNE E.V., LUSOTAQUE, MARACATU COLÔNIA, MUDA OUTRAS ECONOMIAS, PANAMÉRICA TRANSTLÂNTICA, SAÚVA, YLÊ ASE EGI OMIM, ALFONSO GARRIDO, ANADIA OLIVEIRA, ANDERSON BARDOT, BEA COSTA, BLACK PEARL DE ALMEIDA LIMA, CAMILA DE AQUINO, CAMILA DE MORAES, CARMEN LUZ, CHICO BRUM, CLAUDIA PHOENIX, CRIS COTRIM, DADO AMARAL, DANIEL LOBO, DELI MONTEIRO, DENISE KRAMMER, DIANA COSTA, DODO GIOVANETTI, DONA 7, FLAVIA BERTON, FLAVIA GRIBEL, FLAVIA MACEDO, FLAVIA OLIVEIRA, FRESIA HOCQUET, GABRIELA SALOMONE, IVAM CRUZ, JAKOB GEHRMANN, JANAINA OLIVEIRA REFEM, JEAN KLEEB, JOÃO RIVERA, JOTA RAMOS, KIKO HORTA, LAZIR SINVAL, LUÍS FILIPE DE LIMA, LUIZ ANTONIO SIMAS, MAJU NUNES, MANGUEIRINHA, MARCIA NUNES, MAURICIO VIRGENS, MICHELE DETRANO, MUNIZ SODRÉ, NILEN COHEN, PABLO SCHALSCHA, PATRÍCIA MUNIZ, PEDRO TIE, QUININHO DA SERRINHA, RAFAEL MAZZA, RICARDO COTRIM, ROBERTA DE LACERDA MEDINA, RODRIGO DUTRA, SEU ZÉ, TAIANA LOPES, THAIS NEPOMUCENO, TINA SCHENCK, THIAGÔ QUEIROZ, THIAGO ROSA, TUANY ZANINI, UILTON OLIVEIRA, VIVI MÉNDEZ MOYA, WILLIAM SOUSA, YA WANDA ARAUJO.

Der Karneval ist nicht nur, in verschiedenen Längen- und Breitengraden weltweit, ein beliebter Anlass zum Feiern, Karneval ist auch ein sozialpolitisches Ereignis. Entsprechend lassen sich anhand der Geschichte des Karnevals fundamentale Entwicklungen sozialer und politischer Natur herauslesen. Neben Köln ist auch Kölns Partnerstadt Rio de Janeiro eine berühmte Karnevalsstadt. Von besonderem Interesse im Falle Rio de Janeiros ist in Bezug auf den Karneval der Zusammenhang zwischen den Ebenen der Spiritualität, Ökonomie und Politik. Diesen Zusammenhang will das Projekt kaɦ.na.vˈaw | Spiritualität, Ökonomie und Politik von Köln und vom Rheinland aus reflektieren. Nicht zuletzt werden dabei die Wurzeln des brasilianischen Karnevals und die Migrationsgeschichten in Köln und im Rheinland von zentraler Bedeutung sein.

Von Juli bis Dezember 2023 finden in diesem Kontext Workshops, Konzerte und Musikperformances, künstlerische Präsentationen, sowie ein performatives Symposium in Kollaboration mit unterschiedlichen Institutionen und migrantischen Vereinigungen Kölns statt. Das Projekt wird künstlerisch geleitet von Adriana Schneider Alcure, Akademie-Mitglied, Mitbegründerin der Karnevalsvereinigung Cordão do Boitatá und Professorin für Theater an der Universität Rio de Janeiro (UFRJ), und dem brasilianischen, in Köln und Bonn lebenden Film- und Theater- Regisseur, Schauspieler und Theaterpädagogen Alex Mello.

Spiritualität

Der brasilianische und der karibische Karneval allgemein, aber insbesondere auch der Karneval in Rio de Janeiro, ist stark geprägt von afrodiasporischen, religiösen und kulturellen Ausdrucksformen. Jahrhundertelang war Rio de Janeiro der wichtigste Hafen des globalen Sklavenhandels und als Hauptstadt Brasiliens (von 1822 bis 1960) auch ein besonderer Ort des politischen Geschehens. In diesem Kontext hat sich der Karneval zum wichtigen Szenario des Dialogs und der Verhandlung verschiedener Kulturen und Lebensrealitäten entwickelt. Die Wurzeln von Samba-Musik und -Tanz reichen weit in afrodiasporische Traditionen zurück. Sie enthalten die Erinnerungskultur der Überquerung des Atlantiks, des Lebens in Gefangenschaft, auf den Plantagen, und der Befreiung; sowie Elemente afrobrasilianischer Religion, insbesondere derer aus der Yorùbá-Kultur (Westafrika). Das Bewahren religiöser Bräuche und anzestraler Spiritualität, Gesänge und Tänze waren ein besonders wichtiges Element für das Überleben der Gemeinschaften in Gefangenschaft und Zwangsarbeit in der Diaspora. Entsprechend ist die Rückbesinnung auf die eigene Spiritualität und afrodiasporische Identität sowohl im Kampf für die Abolition der Sklaverei als auch in kulturellen Manifestationen, insbesondere dem Karneval, von zentraler Bedeutung.

Ökonomie

In Rio de Janeiro stellt Karneval heute nicht nur ein international beachtetes kulturelles Spektakel dar, sondern konstituiert auch die wichtigste Ökonomie der Stadt. Das finanzielle Überleben von Millionen von Personen und Familien wird durch den Karneval getragen. Interessant an diesem Phänomen ist, dass verschiedene Formen der Ökonomie an den Karneval anschließen: formale (Medien, Spektakel, Events), symbolische, aber auch informelle und kommunale Formen der Ökonomie (informeller Straßenverkauf, informelle Musik und Kulturveranstaltungen, Familienunternehmen und Nachbarschaftsinitiativen, alternative Tauschwährungen und Handel). Diese singuläre Position macht aus dem wichtigsten kulturellen Ereignis der Stadt gleichzeitig das wichtigste und vielleicht auch komplexeste ökonomische Ereignis der Stadt.

Politik

Die Geschichte des Karnevals ist von der Geschichte der Forderungen nach gleichen Rechten in einem von struktureller Ungleichheit geprägten Land nicht zu trennen. Als distinguierte Plattform der Sichtbarkeit und als Fest „des einfachen Volkes“ ist der Karneval über die Jahre auch Schauplatz diverser politischer Forderungen, insbesondere im Bereich der Menschenrechte, des Rechts auf Religionsfreiheit, Freiheit und Gleichheit geworden. Nicht zuletzt ist der Karneval in Rio – genauso wie der Karneval in Köln – ein beliebtes Forum der politischen Debatte und der politischen Satire, das auf dem demokratischen Recht der Ausdrucksfreiheit basiert.

Juli - Dezember 2023
Rio de Janeiro und Köln

In Kooperation mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum und dem Zentrum für internationale Kulturelle Bildung des Goethe-Instituts Bonn.

Gefördert durch