Niemand sollte mit 44 sterben. Peter Scheiffele hat es getan, und als Freund bin ich fast versucht zu sagen: Er hat ja eh nie darauf gehört, was „man“ sollte. Peter hat seinen massigen, Ex-Footballer-Körper durch die Welt manövriert, wie es ihm passte. Traditionell hat Peter immer alles gleichzeitig gemacht. Er war eine ungemein wichtige Gestalt in den intelligenten Teilen des Kölner Nachtlebens, im „Stadt Venlo“ oder im „King Georg“. Das waren Orte, an denen man eben nicht nur Berieselung gesucht hat, sondern die richtige Musik, das relevante Gespräch und auch die politische Veranstaltung. Peter hat in diesem Kontext alles gleichzeitig gemacht: Bier ausgeschenkt, sich um alle gekümmert, die Tür im Auge gehabt, über Marxismus doziert, an seinem Handy rumgespielt. Er hatte Sozialwissenschaften studiert, über Organisation geforscht, eine Dissertation begonnen, an der Universität und beim Verlag Walter König gearbeitet und zuletzt eben bei der Akademie der Künste der Welt. Er hat alles gleichzeitig gemacht, und gleichzeitig war auch nichts wirklich gut genug für seine teilweise unmenschlichen Ansprüche vor allem an sich selbst. Für seine Dissertation lud er Gigabyte um Gigabyte an Recherchematerial herunter – niemand konnte das ernsthaft noch lesen. Er nahm es in Angriff. Peter hatte die unglaublichste Präsenz im Raum, an ihm kam man buchstäblich nicht vorbei, er setzte sich der Welt bis zur Schmerzgrenze (und darüber) aus, er wollte Kontrolle und verlor sie manchmal panikartig. Voilà, un homme.

Da Peter starke Auffassungen hatte, konnten wir uns auch gerne mal richtig anschreien. Das hat nie zu Verärgerung geführt, überhaupt war Peter einer loyalsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Als er in der Nacht vom 28. zum 29. September starb, lagen auf meinem Desktop noch die ersten 148 Seiten seiner Dissertation zum Thema „Organisationaler Imperialismus und Autonomie in Haiti“ – das Ergebnis seiner Recherchen in Haiti nach dem verheerenden Erdbeben von 2010. Es sind die unfertigen Leben, die uns weiter beschäftigen, die uns aber auch auffordern, ihre Fäden aufzunehmen. Seine Frau und seine vielen Freunde werden seiner kleinen Tochter die bleibende Präsenz ihres unfertigen Vaters nahebringen. Ich werde mich bemühen, nach Kräften, seine Fäden weiterzuspinnen, aber ich werde vergeblich auf seine Widerworte warten. Diese Stille wird nicht enden. Niemals, niemals wird Köln mehr die gleiche Stadt sein.